Autorenlesung eines historischen Pasing – Krimis : „Zum Sterben zu viel“ mit Lotte Kinskofer
Der fiktive Mord im historischen Krimi der in Pasing lebenden Journalistin und Autorin Lotte Kinskofer gibt viele Rätsel auf: Ein Heimatdichter liegt 1922 ermordet in einem Gebüsch in der Nähe des Pasinger Bahnhofs. Er wohnt in der um die Jahrhundertwende von August-Exter errichteten Villenkolonie II in Neu-Pasing. Ein junger Schreiner aus dem Westend wird als Tatverdächtiger verhaftet. Seine Frau tut alles, um seine Unschuld zu beweisen. Auch der zuständige Kommissar hat Zweifel. Hat der Mord einen politischen Hintergrund? Der Dichter sympathisiert scheinbar mit den neuen Rechten der NSDAP, verkehrt gleichzeitig in linken Künstlerkreisen. So viel zum Inhalt. Kinskofer: „Pasing als Schauplatz hat sich dafür geeignet, weil die Vergangenheit gut erschlossen ist. Ich besuchte auch die Ausstellung „Revolution in Pasing 1918-1919“ im Pasinger Rathaus, die das Kulturforum München-West vor fünf Jahren gezeigt hatte. Ich wusste vorher, dass ich ein junges Paar im Mittelpunkt der Geschichte haben wollte, das vom Land nach München gezogen ist. Aber auch die Großkopferten der Stadt, die in der neuen Villencolonie II lebten, sollten eine Rolle spielen“, so die Autorin, die selbst in der Nähe des Tatorts wohnt. Das Kulturforum München-West lädt Sie am Donnerstag, 21. September, zu dieser Krimi-Lesung im Ebenböckhaus ein, vorgetragen von der Autorin selbst.
Bitte melden Sie sich an unter einladungen@kulturforum-mwest.de, Eintritt 12 € für Mitglieder, 15 € für Nichtmitglieder. Ort: Ebenböckhaus, Ebenböckstraße 11, Beginn: 19.00 Uhr.
München-Pasing, 1922: Ein Heimatdichter wird ermordet, und ein junger Schreiner muss dafür ins Gefängnis, obwohl die Verdachtsmomente alles andere als schlüssig sind. Seine Frau Agnes tut alles, um die Unschuld ihres Mannes zu beweisen. Vorübergehend muss sie sogar ihre beiden Kinder in die Obhut Fremder geben. Ein zweiter Mord geschieht; der Ermordete hat die gleiche seltsame Wunde am Kopf wie das erste Opfer. Oberkommissar Benedikt Wurzer steht vor einem Rätsel, bis ihn ein Hinweis in die Oberpfalz führt und er ahnt, dass ein weiterer Mord unmittelbar bevorsteht …
Ein spannender und berührender Kriminalroman aus der Zeit zwischen den Kriegen, als die politischen Kämpfe zwischen Rechts und Links schärfer wurden und das Geld nichts mehr wert war, als die Menschen vom Land in der Stadt ihre Zukunft suchten und doch von ihrem Schicksal eingeholt wurden. Quelle: Buchcover
Die Autorin im Interview: In Pasing, um 1922, spielt der historischen Krimi der Autorin Lotte Kinskofer. Was ihre Inspiration war und wo sie ihre Recherchen im Stadtteil betrieben hat.
Pasing – Ein Heimatdichter liegt 1922 ermordet in einem Gebüsch in der Nähe des Pasinger Bahnhofs. Er wohnte in der damals neu errichteten Villenkolonie in Neu-Pasing. Ein junger Schreiner aus dem Westend wird als Tatverdächtiger verhaftet. Seine Frau tut alles, um seine Unschuld zu beweisen. Auch der zuständige Kommissar hat Zweifel. Hat der Mord einen politischen Hintergrund?
Der Dichter sympathisierte scheinbar mit den neuen Rechten der NSDAP, verkehrte gleichzeitig in linken Künstlerkreisen. Der Mord in Pasing gibt viele Rätsel auf. Allerdings ist er nie so passiert, sondern ereignet sich in einem historischen Krimi der Pasingerin Lotte Kinskofer.
Es ist nicht ihr erstes Buch. Kinskofer war lange Journalistin, sei aber immer davor zurückgeschreckt, ein Buch zu schreiben. Bei einer Fortbildung zur Drehbuchschreiberin bemerkte sie dann, dass es gar nicht so schwierig ist. „Man braucht nur ein Handlungsgerüst und eine interessante Hauptfigur“, sagt sie.
Ihre ersten Krimis handeln in ihrer alten Heimat, der Oberpfalz. „Aber ich lebe seit 20 Jahren in Pasing und wollte deshalb mein nächstes Buch in München spielen lassen. Mein Verleger hat mich aber gewarnt, dass München ein schwieriges Pflaster ist, weil es schon viele Bücher gibt, die die Stadt als Handlungsort haben.“ Daher entschied sie sich, einen historischen Krimi zu schreiben. „Pasing hat sich dafür gut geeignet, weil die Vergangenheit gut erschlossen ist. Vereine wie das Kulturforum München-West und das Pasinger Archiv haben viel Material.“ Kinskofer durchforstete alte Zeitungen, besuchte die Ausstellung „Revolution und Räterepublik in Pasing“ im Pasinger Rathaus und recherchierte im Stadtmuseum.
„Ich habe auch viele Bücher aus der Zeit gelesen. Da erfährt man auch sehr viel, zum Beispiel, wie die Preise in der damaligen Zeit waren.“ Eineinhalb Jahre habe sie insgesamt für den Roman gebraucht.
Ein historischer Mord liege der Geschichte nicht zugrunde, auch wenn sich Kinskofer vom bislang nicht aufgeklärten Mehrfachmord in Hinterkaifeck (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) 1922 ein wenig inspirieren ließ.
„Ich wusste vorher, dass ich ein junges Paar im Mittelpunkt der Geschichte haben wollte, das vom Land nach München gezogen ist. Aber auch die Großkopferten der Stadt sollten eine Rolle spielen. Dann hat sich die Geschichte von selbst entwickelt.“
Das Buch „Zum Sterben zu viel“ von Lotte Kinskofer, Ars Vivendi Verlag, 350 Seiten, gibt es für 16 Euro im Buchhandel. Quelle: Artikel von Andreas Schwarzbauer/Hallo vom 8. 5. 2021.
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Lotte Kinskofer streift für ihren neuen Krimi durch die Vergangenheit Münchens. Die Autorin beweist wieder einmal, dass sie sich mühelos zwischen den Medien bewegen kann.
Es war Gustave Flaubert, der als einer der ersten die Sehnsucht des Journalisten nach der Flucht aus der Alltäglichkeit seines Schaffens in Worte fasste. „Warum in den Zeitungen schreiben, wenn man Bücher schreiben kann und nicht Hungers stirbt?“ Was Leben und Schaffen der gelernten Journalistin und Wahlmünchnerin Lotte Kinskofer betrifft, kann man mit Fug und Recht behaupten, sie bewege sich recht erfolgreich auf Flauberts Pfaden. Sie hat mehr als 20 Bücher geschrieben. Wissenschaftliches, Kinder- und Jugendbücher, Drehbücher. Und jetzt gerade wieder eines. Es liest sich ganz wunderbar.
Dass es sich um einen Krimi handelt, mindert das Vergnügen daran keineswegs, noch dazu „Zum Sterben zu viel“ sehr viel mehr ist als nur eine Geschichte von Mord und Totschlag. Dieses Buch ist mindestens ebenso sehr ein Spiegel der Zeit und der Gesellschaft in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, als politische Ranküne, irrwitzige Inflation, aufkeimender Antisemitismus und vor allem die immer noch schwärenden Wunden des mörderischen großen Krieges das Leben bestimmten. „Ich wollte mal was Historisches probieren, auch wenn ich keine Historikerin bin“, sagt Lotte Kinskofer und drückt mit der Gabel ein Stück vom Millirahmstrudel ab. Der Verlag Ars Vivendi, bei dem Kinskofer schon einiges veröffentlicht hatte, zeigte sich angetan von der Idee.
Weil nun in einem Buch, das „Kriminalroman“ auf dem Cover stehen hat, auch ein Krimi stattfinden muss, geht es um Mord. Zunächst um den gewaltsamen Tod eines einigermaßen renommierten Heimatdichters, dessen Hang zum freizügigen Leben möglicherweise mit dem Motiv zu tun hat. Er lebte, wie viele Besserverdienende damals, in Pasing, wo die Villen des Architekten August Exter standesgemäßen Wohnraum boten, trieb sich ansonsten aber in der Schwabinger Boheme herum, wo man mit Oskar Maria Graf soff und den anderen Dichtern die Geliebte ausspannte.
Im noblen Pasing hat sich auch ein Anwalt namens Strate mit seiner relativ hysterischen Gattin Heimstatt gesucht. Sie sind kinderlos, was sie später zu wichtigen Protagonisten machen soll. Dass der Schreiner Benno Stöckl, der in der Anwaltsvilla eine neue Decke einziehen soll, aus einem Bauernhof in Gitting stammt, einem kleinen Kaff unweit von Passau, ist nur insofern interessant, als Lotte Kinskofer aus dieser Gegend kommt und väterlicherseits eine gewisse Beziehung zu diesem Ort hat, wie übrigens auch zu Pasing, wo sie in einem ruhigen, romantischen Eck den Millirahmstrudel serviert.
Die Spielorte sind allesamt real. Da wäre das Westend und seine Tulbeckstraße, wo der Schreiner mit Frau Agnes wohnt und werkelt, während die zwei Kinder mangels Platz zu Hause in Gitting bei den Großeltern leben. Das Viertel hinter der Schwanthaler Höh‘ war damals, wie Haidhausen oder die Au, eine Armeleutegegend, wo die Handwerker und Tagelöhner lebten, die die schöne große Stadt am Leben hielten.
Der in diesem und folgenden Morden ermittelnde Kommissar Benedikt Wurzer scheint nun samt seines privaten und beruflichen Ambientes der aktuellen deutschen Tatortszene entsprungen zu sein. Da ist der Polizeichef in der Löwengrube(!), der gerne um des schnellen Ermittlungserfolgs willen den erstbesten Verdächtigen als Täter sieht (wie so oft bei Moritz Eisners Chef in Wien), da ist der windige Untergebene von Wurzer, der eher arbeitsscheu als fahndungshungrig ist (ähnlich der aktuellen Kölner Situation), und da ist Wurzer selber, den eine Familientragödie (Sohn ist im Krieg gefallen) in die Depression treibt – wer denkt da nicht an Kommissar Faber aus Dortmund.
Was wie warum wo dann wirklich passiert, dazu sollte man das Buch schon selber lesen, es lohnt allemal. Aber es ist ja auch die Geschichte, wie Lotte Kinskofer zu diesem Buch gekommen ist, eine recht hübsche. Denn es war der 1959 im niederbayerischen Langquaid geborenen Niederbayerin nicht wirklich in die Wiege gelegt, sich später einmal im Flaubertschen Sinne das Leben zu verdienen.
Im Gymnasium zu Regensburg als Fahrschülerin war sie in Deutsch eher mittelmäßig, leistet sich danach aber ein Germanistikstudium an der LMU in München, wo sie über Clemens Brentano promovierte. Weil so ein Studentenleben kostspielig ist, suchte sie sich einen Job und fand ihn über ein Praktikum beim Erdinger Teil der Süddeutschen Zeitung. Kinskofers Erinnerung: „Unglaublich, damals wurden alle, aber wirklich alle Vorurteile über Journalismus bestätigt.“ Sie volontierte nach der Promotion bei der Münchner Kirchenzeitung, fand danach einen Redakteursjob bei dem Fränkischen Kreisboten in Ansbach. Es folgte eine Stelle bei der Würmtalausgabe des Münchner Merkur. „Dann aber ging mir die Luft aus.“ Da war Lotte Kinskofer 35 Jahre alt, bereit für ein neues Leben ganz im Sinne Flauberts.
Dieses winkte in Form einer Ausschreibung für einen Wettbewerb: Wie schreibe ich einen Frauenroman. Nun stellt sich die Frage, was einen Frauenroman denn von anderen Romanen groß unterscheide. Lotte Kinskofer jedenfalls schrieb einen und wandte sich mit dem Manuskript unter anderem an den Leipziger Reclam Verlag. Von dort kam die frohe Botschaft: „Wir machen das.“ Und so kam die „Agentur der bösen Mädchen“ unters Volk.
Aber es ist, bei allem Respekt vor Gustave Flauberts Worten, nicht gar so leicht, von der Schriftstellerei zu leben. Da half eine weitere Ausschreibung, die Lotte Kinskofer spannend fand: die zu einem Drehbuchseminar. Solch eines absolviert zu haben, änderte ihr Leben vor allem in Richtung Sicherheit. Denn nun stand sie plötzlich in den Diensten des Fernsehens, nicht nur, aber auch und vornehmlich des privaten. Dort brauchte man in den Achtzigerjahren dringend Autoren, um das Programm zu füllen. So kam es, dass Kinskofer zum Stamm gehört, der für „Sturm der Liebe“, „Die Fallers“, zweimal auch für die „Lindenstraße“ (hatte ihr aber zu wenig Humor) und vor allem für „Dahoam is dahoam“ verantwortlich zeichnet. Sie ist, mit einer Kollegin, verantwortlich für die Dialoge, fürs gesprochene Wort, den gesprochenen Dialekt, also fürs Bairische.
Und da kann man mit ihr prächtig streiten. Das geht schon los beim Satzbau, bei der Wortstellung. In ihrem Krimi „Zum Sterben zuviel“ heißt es einmal „… beim Benno seinen Eltern …“ Sie setzt solche Bajuwarismen aber recht sparsam ein in den Büchern, in „Dahoam“ aber ist der etwas gestriegelte Dialekt allgegenwärtig.
Man kann also sagen, Lotte Kinskofer ist in diversen Genres etabliert. Denn sie war und ist ja immer noch offen für Neues. Sie würde, sagt sie, gerne mal ein Libretto schreiben oder Gedichte. Und, wenn die Pandemie vorbei ist, wieder Musik machen. Richtig! Unter der blinden Treppe, unweit der Fotografie von der Freundin aus Hamburg mit ihrem Kind, lehnt ein Geigenkasten. Sie hat ja schon im Schulorchester gespielt, damals in Regensburg. Und hat Akkordeon gelernt, „so richtig, mit Schneewalzer, rauschenden Birken und Märschen ohne Ende“. Später, in der großen Stadt, kamen dann Tango und Musette dazu, und richtige Bands. „Ich bin nicht begabt, hatte aber unendlich viel Spaß dabei.“
Wobei zum Spaßhaben für eine Schriftstellerin auch ein paar weniger spaßige Dinge gehören. Arbeitsdisziplin zum Beispiel. „Ich stehe jeden Tag früh auf und schreibe dann mindestens eine Stunde, damit ich in der Geschichte bleibe“, sagt Lotte Kinskofer. Dass sie jetzt, weil ein bisschen älter, etwas langsamer werde. Und dass sie sich irgendwann ans Ufer des Starnberger Sees setzen möchte „und warten, was kommt“. Das klingt doch alles eigentlich recht beneidenswert. Quelle: SZ-Artikel von Karl Forster vom 11.06.2021