Wissenschaftsreihe: Prof. Lessenich

1270214-lessenich-120Dienstag, 14. Februar 2017 um 19 Uhr Pasinger Fabrik, Studio 1 Wissenschaftsreihe: Der Soziologe Prof. Stephan Lessenich stellt seine Forschung vor unter dem Titel „Neben uns die Sintflut: Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis.“ In Kooperation mit der Pasinger Fabrik. Anmeldung: kulturforum.muenchen-west@web.de. Eintritt 8 Euro, Mitglieder 5, Schüler und Studenten frei.

Neben uns die Sintflut: Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis

Von ihren Anfängen an beruhte die sozioökonomische Entwicklungsstrategie der modernen Industriegesellschaft auf dem Prinzip des Fortschritts zu Lasten anderer. Das Erfolgsrezept heißt Externalisierung: Ausbeutung fremder Ressourcen, Abwälzung von Kosten auf Außenstehende, Aneignung der Gewinne im Innern. Das ist die Logik, nach der das kapitalistische Weltsystem funktioniert. Doch diese Logik ist kein Selbstläufer – und ihre sozialen Träger sind nicht allein Großkonzerne und Staatslenker. Getragen wird sie auch von dem stillen Einvernehmen und der aktiven Beteiligung großer gesellschaftlicher Mehrheiten. Wir leben in Externalisierungsgesellschaften – und wir leben gut damit. Weil andere die Kosten tragen.

Das Wissen darum ist nur schwer auszuhalten. Deswegen klammert man sich hierzulande gerne an die Utopie eines durch wirtschaftliches Wachstum erzeugten, globalen „Fahrstuhleffekts“: einer Besserstellung der Armen dieser Welt, ohne dass dadurch der Reichtum der Wohlstandsgesellschaften in Frage gestellt werden müsste. Oder an die Illusion eines „grünen“ Kapitalismus, der Wachstum angeblich vom Ressourcenverbrauch entkoppeln und unsere kollektive Lebensweise mit den stofflichen Belastbarkeitsgrenzen des Planeten Erde versöhnen könne. Wie verlockend diese Zukunftsvisionen auch klingen mögen: Sie sind nichts anderes als Selbstbetrug.

Und viele Menschen in den kapitalistischen Wohlstandszentren spüren das auch. Sie ahnen, dass es mit dem guten Leben auf Kosten anderer so nicht wird weitergehen können: mit dem märchenhaften Reichtum der Wenigen und den existenziellen Lebensnöten der Vielen; mit hemmungslosem Ressourcenverbrauch in einem Teil der Welt und den zerstörerischen Konsequenzen auf dem Rest des Globus; mit der alltäglich zur Schau gestellten Sorglosigkeit in den oberen und der permanenten Sorge ums Überleben in den unteren Etagen der Weltsozialhierarchie.

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Der Soziologe Professor Stephan Lessenich, Foto privat

Stephan Lessenich, 1965 in Stuttgart geboren, lehrt am Institut für Soziologie der LMU München und ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.

Neueste Publikationen

  • Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis, München: Hanser Berlin, 2016.
  • Claus Offe’s Critical Theory of the Capitalist State, New York: Routledge, 2016 [mit Jens Borchert].
  • Charles Wright Mills, Soziologische Phantasie, Wiesbaden: Springer VS, 2016 [Herausgeber].
  • Sociology, Capitalism, Critique, London/New York: Verso, 2015 [mit Klaus Dörre und Hartmut Rosa].
    auf Deutsch: Soziologie, Kapitalismus, Kritik, Suhrkamp Frankfurt/M 2009 [mit Klaus Dörre und Hartmut Rosa].