Radoslav Ganev ist am 17. Oktober 2024 Gast beim Kulturstammtisch im „Alten Wirt von Obermenzing“ und stellt den Verein „RomAnity“ vor.
Am 17. Oktober haben wir beim Kulturstammtisch Radoslav Ganev, den Gründer und Ideengeber des Vereins RomAnity – eine Mischung aus „Rom“ und „Humanity“ – zu Gast. Er wird uns über alles informieren, was wir über Sinti und Roma wissen wollen, und gibt Einblicke in die Lebens- und Gedankenwelt dieser Bevölkerungsgruppe. Auch zeigt Ganev, wie vielfältig das Leben von Sinti und Roma ist. Er kennt als ethnischer Rom selbst die Situation, seine Herkunft verheimlichen zu müssen, und möchte, dass Sinti und Roma in der Gesellschaft sichtbar werden. Sein großes Ziel ist es, Vorurteile gegenüber Sinti und Roma abzubauen, die oftmals noch ausgegrenzt und benachteiligt werden. „Sie leben seit mehr als 600 Jahren in Deutschland und trotzdem denken viele, dass sie nicht dazugehören. Der Blick auf diese Minderheitengruppe ist immer noch getrübt durch Vorurteile, die mit der heutigen Lebensrealität der Menschen nichts zu tun haben“, so Ganev, der sie mit seinen Aktivitäten aus dem Schattendasein rausholen will.
Der Politikwissenschaftler ist Geschäftsführer von Lichterkette e.V., Hochschul-Dozent und hat den Studierendenverband der Sinti und Roma in Deutschland gegründet. Eines seiner Hauptthemen ist die Entstehung und Manifestierung von Antiziganismus, den er an dem Abend näher beleuchten wird. Auch wird Ganev Kunst- und Kulturschaffende sowie andere großartige Persönlichkeiten dieser Minderheitengruppe vorstellen.
Wir treffen uns um 19 Uhr im Festsaal des „Alten Wirt von Obermenzing“. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, der Eintritt ist frei, Gäste sind herzlich willkommen. Es empfiehlt sich schon vorher zu kommen und zu essen, ehe der Vortrag beginnt.
Mit neun Jahren kommt 1995 Radoslav Ganev aus Bulgarien mit seiner Mutter nach Deutschland, sie sind Roma. Aber das soll keiner wissen – die Mutter hat ihm verboten darüber zu sprechen („Sag auf keinen Fall irgendjemandem, dass du Rom bist.“) – und lange bleibt das so. Ganev macht Abitur in Trier, studiert Politikwissenschaft in Bamberg und arbeitet im sozialen Bereich. Mit über dreißig Jahren entschließt er sich, seine ethnische Herkunft nicht mehr länger zu verschweigen.„Ich würde mir wünschen, dass sich keiner wegen seiner Gruppenzugehörigkeit verstecken muss“, sagt Radoslav Ganev. Er selbst nennt sich heute „gebürtiger Bulgare, eingebürgerter Deutscher, ethnischer Rom – und Mensch“. Dass er sich selbst als Rom bezeichnet, dafür hat der 34-Jährige fast 32 Jahre gebraucht. Heute will er ein Vorbild für andere sein. „Nur wer sich zeigt, kann andere Bilder schaffen.“ Es gehe darum, andere Bilder zu zeigen als Elend, Armut und Kriminalität, die immer nur antiziganistische Vorurteile schürten. Ganev will die Menschen dort abholen, wo sie stehen und ein Gesprächs- und Informationsangebot schaffen. Unter anderem erklärt er, warum „das Z-Wort“, an dem sich viele Debatten entladen, nicht benutzt werden sollte.
Ganev: „Zigeuner ist nicht nur ein Wort. Es ist ein Messer. Es sticht ins gesellschaftliche Bewusstsein und erinnert daran, dass man anders ist, anders sein muss. Es ist ein Stempel. Es deklariert als Angehöriger einer unerwünschten Gruppe. Es ist eine Beleidigung, weil der gesellschaftliche Sprachgebrauch es zu einer gemacht hat. Es ist Fremdbestimmung, weil sich die Gruppe diesen Namen nicht selbst gegeben hat“.„Romanity“ ist schon begrifflich die simple Aussage, die das Projekt treffen will: Eine Mischung aus „Rom“ und „Humanity“, Mensch, Menschheit, Menschlichkeit. Auf Romanes, der Sprache der Roma, heißt Rom schlicht „Mensch“, die weibliche Form ist Romnija. Ganev will zeigen, dass Sinti und Roma Menschen wie alle anderen sind. Und eben auch keine homogene Gruppe. Wie sehr diese Annahmen in Deutschland immer noch nicht selbstverständlich sind und wie wenig die Mehrheitsgesellschaft über die Minderheit wissen will, zeigt auch Ganevs eigene Geschichte. Und die seiner Mutter, mit der es anfangs ein „Übereinkommen“ zwischen ihr und dem kleinen Jungen gegeben hat. Ein Übereinkommen des Verschweigens aufgrund ihrer eigenen Ausgrenzungserfahrungen: „Sag auf keinen Fall irgendjemandem, dass du Rom bist.“ Und diese Strategie ging auf: „Wahrscheinlich hätte ich es sonst nicht so weit geschafft“, sagt Ganev heute. „Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen, dass ich mutiger sein muss“. Heute lebt er mit seiner Frau und Tochter in München und ist gefragter Gesprächspartner mit seiner Mission, Sinti* und Roma* in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Antiziganismus „Stimmen der Stärke“ zu ermöglichen. „Roma* und Sinti* sollen nicht mehr nur Ziel von Vorurteilen und Ausgrenzung sein, sondern als gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft anerkannt werden“.
Wenn Sie sich vorab informieren möchten: Suchen Sie im Internet z.B. nach Planet Wissen bei ARD-alpha und speziell der einstündigen Sendung vom 17.10.2022. Hier spricht auch Radoslav Ganev.
Auch in München wurden die Sinti und Roma verfolgt, wie die beiden Bücher dokumentieren.