EXTRAKT – ABSTRAKT – Bilder von Klaus Bäulke

Veranstaltung der Unterkirche und des Kulturforum München-West e.V.

Vernissage am Freitag 25. Okt 2024, 19:00 Uhr

Ausstellung in der Unterkirche von St. Raphael, Lechelstraße 52/Ecke Waldhornstraße München-Hartmannshofen

»Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar« Diesen Satz von Paul Klee habe ich in abgewandelter Form auf meine Bilder angewendet: Das auf den ersten Blick Unsichtbare im Sichtbaren zu entdecken und zu extrahieren.

Die Ausstellung geht vom 26.10. bis 3.11.2024. Die  Öffnungszeiten sind samstags von 16 bis 18 Uhr und sonntags von 15 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Veranstalter ist die Kirche St. Raphael in Kooperation mit dem Kulturforum München-West e.V. Kuratoren: Irene Bauer-Conrad, Fabian Vogl

„Bei meinen täglichen Spaziergängen fiel mir auf, dass in den Farbsprühungen und Kritzeleien auf Parkbänken interessante Details zu erspüren sind, aus denen sich ein abstraktes Bild gewinnen lässt. Daraufhin wurde die Suche nach weiteren Bildquellen ausgeweitet. Diese fand ich auf Elektroverteilerkästen, in zerrissenen Aufklebern auf Müllboxen, auf Verkehrsschildern und Lichtmasten, sowie auf zerfetzten  Plakat-wänden. Außerdem waren überraschende magische Bilder im Eis gefrorener Pfützen zu entdecken. All diese Fundstücke wurden mit der Kamera eingefangen, auf dem Computer die entscheidenden Ausschnitte extrahiert und diese farblich verstärkt.

Die Ergebnisse dieser »Foto-Malereien« werden nun in dieser Ausstellung vorgestellt.“

1936 geboren in Moringen, Niedersachsen
1951 – 1954 Schriftsetzer- und Buchdrucker-Lehre
1960 – 1962 Höhere Fachschule für das Graphische Gewerbe in Nürnberg mit     Abschluss als Schriftsetzermeister
1964 Übersiedlung nach München
1964 – 1978 Hersteller in Münchener Buchverlagen
1978 – 1998 Werbeleiter im Deutschen Taschenbuch Verlag
1970 – 1972 Studium der informellen Malerei bei Prof. Rolf Cavael
Seit 2011 Teilnahme an den Workshops von Irene Bauer-Conrad
2011 – 2013 Malkurse bei Gabriele Middelmann
2016 – 2020 Steinbildhauer-Kurse bei Rudolf Söllner                   

Beethoven-Sonaten für Violine und Klavier, 3. Teil

Matinée am Sonntag, 20.10.2024, um 11:00 Uhr

Klavierwerkstatt Kontrapunkt, Dorfstr. 39 (hinter dem Alten Wirt).

Der Zyklus der zehn Violinsonaten Beethovens gewährt einen einmaligen Einblick in die musikalische Entwicklung des Komponisten vom Frühwerk im Schatten Haydns und Mozarts über den Höhepunkt des „heroischen Stils“ bis an die Grenze des Spätwerks.

Die ARD-Preisträgerin des Jahres 2017 Sarah Christian, Violine, und die vielfache Preisträgerin Prof. Hisako Kawamura, Klavier, beenden nun diese spannende Reise durch die Schaffensperioden des Genies Beethoven mit einer Matinée, bei der die Violinsonaten

  • Nr. 3 in Es-Dur op. 12,3 von 1798/99,
  • Nr. 6 in A-Dur op. 30,1 von 1802 und
  • Nr. 7 in c-moll op. 30,2 ebenfalls von 1802 

erklingen werden.

Eintritt: € 25, für Mitglieder € 20, für Schüler/Studierende bis 30 J. € 5.

Verbindliche Anmeldung unter info@kammermusik-pasing.de

Die drei Violinsonaten op.12 entstanden in den Jahren 1797/1798. Beethoven widmete die Sonaten seinem Lehrer Antonio Salieri, dem Antipoden Mozarts und damals unbestrittenen Platzhirsch des Wiener Musiklebens. Formal orientieren sich diese Sonaten am Vorbild Mozarts, sowohl in ihrer Dreisätzigkeit als auch in der dialogischen Anlage des musikalischen Ablaufs als Zwiegespräch zwischen Violine und Klavier. Und doch greift Beethoven mit diesen Violinsonaten weit über das zu seiner Zeit Erwartbare hinaus. Häufige Charakterwechsel, wuchtige Akkordschläge, rhythmische Verschiebungen und eigenwillige Modulationen sorgen für Irritation. Kein Wunder, dass die Allgemeine musikalische Zeitung 1799 in den Sonaten op. 12 „keine Natur, keinen Gesang“ erkennen konnte, sondern „eine Sträubigkeit, für die man wenig Interesse fühlt“ monierte. Recht hatte die zeitgenössische Kritik allerdings, wenn sie „ein Anhäufen von Schwierigkeit auf Schwierigkeit“ feststellte.

Die Violinsonate op. 12 Nr. 3 spiegelt diesen musikalischen Umbruch modellhaft wider: Vergleichsweise gefällige Themen im Kopfsatz, die – vor allem in der Durchführung – von rasenden Läufen in beiden Instrumenten unterfüttert und von starken rhythmischen Akzenten unterbrochen werden. Der nachfolgende langsame Adagio-Satz in seiner feierlich-expressiven Grundstimmung trägt unverkennbar vorromantische Züge und verweist auf spätere musikalische Utopien Beethovens, z.B. in der  „Pathétique“-Klaviersonate und im langsamen Satz des 4. Klavierkonzerts. Das abschließende Rondo mit seinem betont rhythmischen Contretanz-Thema und seinen trotzig-aufbegehrenden Sforzato-Schlägen stürmt in einem wilden Fugato seinem Ende zu.

Die Werkgruppe der drei Violinsonaten op. 30 entstand 1802 in einer Zeit der tiefen persönlichen Krise, als Beethoven seine beginnende Schwerhörigkeit im „Heiligenstädter Testament“ voller Verzweiflung beklagte und sich endgültig von der Bewunderung Napoleons löste, wie seine Widmung dieser drei Sonaten an Zar Alexander I. zeigt.

Im kompositorischen Prozess des Übergangs zum „neuen Stil“, wie Beethoven selbst seinen monumentalen Kompositionsstil nannte, wirkt die Violinsonate op. 30 Nr. 1 wie eine Fermate. Sie hat insgesamt eine ruhige, manchmal geradezu lyrische Grundstimmung, so schon im 1. Satz mit seinem nachdenklichen Haupt- und seinem walzerartigen Nebenthema, mehr noch im wunderbar ruhigen, ausdrucksvollen langsamen Satz. Den Finalsatz fügte der Komponist nachträglich an, nachdem er den ursprünglich für diese Sonate komponierten Satz zum Finale der „Kreutzersonate“ Nr. 9 op. 47 bestimmt hatte. Dieser neue Schlusssatz, ein Variationensatz mit sechs höchst abwechslungsreichen Variationen, vereinigt in sich die unterschiedlichsten stilistischen Charaktere, darunter eine besonders eindrucksvolle kontrapunktische Moll-Variation. Der zeitgenössische Rezensent der Leipziger „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ hielt diesen Satz für „nicht ganz gelungen“. Beethoven schrieb darauf in einem Brief an seinen Verleger von den „Leipziger Ochsen“, die „gewiss niemand durch ihr Geschwätz unsterblich machen, so wie sie auch niemand die Unsterblichkeit nehmen werden“.

Die Violinsonate op. 30 Nr. 2 bildet in der Werkgruppe op. 30 den Höhepunkt. Denn sie nähert sich nicht nur in der viersätzigen Anlage dem symphonischen Vorbild an, sondern markiert auch stilistisch deutlich den Schritt zur „heroischen“ Tonsprache, wie sie der Komponist in der 1802/1803 entstandenen Eroica-Symphonie voll entfaltete. Auf den ersten Satz mit seinen großen Spannungsbögen vom geheimnisvollen Klavier-Tremolo bis zum mitreißenden, vorwärtsstürmenden Marschrhythmus, seinen wuchtigen Akkordschlägen und der groß angelegten Coda folgt ein erhaben anmutendes, arkadisches Adagio cantabile. Das tänzerische Scherzo überrascht durch vertrackte Synkopen und rhythmische Verschiebungen, ehe der vehement vorwärtsdrängende Finalsatz mit seinem markanten Haupt- und dem beschwingten Seitenthema nach einer gewaltigen Presto-Stretta seinem Ende entgegenjagt.

Die 1990 in Augsburg geborene Sarah Christian schloss ihr Studium am Mozarteum Salzburg als 20-jährige mit höchster Auszeichnung ab und setzte ihr Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin fort, wo sie als Assistentin einen Lehrauftrag hatte. Seit 2013 ist sie Konzertmeisterin der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Als gefragte Solistin arbeitete sie bereits mit renommierten Dirigenten und Orchestern wie dem Deutschen Sinfonieorchester Berlin und dem BBC Symphony Orchestra zusammen und konzertiert auf den Bühnen Europas, Chinas, Japans und Südamerikas. Dabei nutzt sie immer wieder die Möglichkeit, selbst vom Pult aus zu leiten. Sarah Christian ist Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe. Sie wurde u.a. mit der Yehudi-Menuhin-Medaille und der Szymon-Goldberg-Medaille ausgezeichnet und erspielte sich beim ARD-Musikwettbewerb 2017 den 2. Preis (bei Nichtvergabe des 1. Preises). Auch kammermusikalisch ist sie aktiv, z.B. beim Schleswig-Holstein-Festival oder den Schwetzinger Festspielen.

Hisako Kawamura, geboren in Japan und aufgewachsen in Deutschland, wurde musikalisch geprägt von der japanischen und europäischen Kultur. Im Verlauf ihrer Studien lernte sie die slawische Musik schätzen. Seit ihrer von der Kritik mit Begeisterung aufgenommenen Debut-CD mit Werken u.a. von Sergei Prokofiew hat sie zahlreiche CDs bei verschiedenen Labels eingespielt, darunter z.B. Sony. Hisako Kawamura ist vielfache Preisträgerin renommierter Wettbewerbe, z.B. des ARD-Musikwettbewerbs, des Concours Géza Anda in Zürich, des Europäischen Chopin-Wettbewerbs in Darmstadt und des Concours Clara Haskil in Vevey. Sie wurde von vielen internationalen Orchestern eingeladen und konzertierte unter anderem mit der Ungarischen Nationalphilharmonie und dem City of Birmingham Orchestra. 2015 wurde sie als Professorin an die Folkwang Universität der Künste in Essen berufen, wo sie bereits seit 2011 unterrichtete.

Über Sinti und Roma

Festsaal des „Alten Wirt von Obermenzing“

Radoslav Ganev ist am 17. Oktober 2024 Gast beim Kulturstammtisch im „Alten Wirt von Obermenzing“ und stellt den Verein „RomAnity“ vor.

Am 17. Oktober haben wir beim Kulturstammtisch Radoslav Ganev, den Gründer und Ideengeber des Vereins RomAnity – eine Mischung aus „Rom“ und „Humanity“ – zu Gast. Er wird uns über alles informieren, was wir über Sinti und Roma wissen wollen, und gibt Einblicke in die Lebens- und Gedankenwelt dieser Bevölkerungsgruppe. Auch zeigt Ganev, wie vielfältig das Leben von Sinti und Roma ist. Er kennt als ethnischer Rom selbst die Situation, seine Herkunft verheimlichen zu müssen, und möchte, dass Sinti und Roma in der Gesellschaft sichtbar werden. Sein großes Ziel ist es, Vorurteile gegenüber Sinti und Roma abzubauen, die oftmals noch ausgegrenzt und benachteiligt werden. „Sie leben seit mehr als 600 Jahren in Deutschland und trotzdem denken viele, dass sie nicht dazugehören. Der Blick auf diese Minderheitengruppe ist immer noch getrübt durch Vorurteile, die mit der heutigen Lebensrealität der Menschen nichts zu tun haben“, so Ganev, der sie mit seinen Aktivitäten aus dem Schattendasein rausholen will.

Der Politikwissenschaftler ist Geschäftsführer von Lichterkette e.V., Hochschul-Dozent und hat den Studierendenverband der Sinti und Roma in Deutschland gegründet. Eines seiner Hauptthemen ist die Entstehung und Manifestierung von Antiziganismus, den er an dem Abend näher beleuchten wird. Auch wird Ganev Kunst- und Kulturschaffende sowie andere großartige Persönlichkeiten dieser Minderheitengruppe vorstellen.

Wir treffen uns um 19 Uhr im Festsaal des „Alten Wirt von Obermenzing“. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, der Eintritt ist frei, Gäste sind herzlich willkommen. Es empfiehlt sich schon vorher zu kommen und zu essen, ehe der Vortrag beginnt.

Mit neun Jahren kommt 1995 Radoslav Ganev aus Bulgarien mit seiner Mutter nach Deutschland, sie sind Roma. Aber das soll keiner wissen – die Mutter hat ihm verboten darüber zu sprechen („Sag auf keinen Fall irgendjemandem, dass du Rom bist.“) –  und lange bleibt das so. Ganev macht Abitur in Trier, studiert Politikwissenschaft in Bamberg und arbeitet im sozialen Bereich. Mit über dreißig Jahren entschließt er sich, seine ethnische Herkunft nicht mehr länger zu verschweigen.„Ich würde mir wünschen, dass sich keiner wegen seiner Gruppenzugehörigkeit verstecken muss“, sagt Radoslav Ganev. Er selbst nennt sich heute „gebürtiger Bulgare, eingebürgerter Deutscher, ethnischer Rom – und Mensch“. Dass er sich selbst als Rom bezeichnet, dafür hat der 34-Jährige fast 32 Jahre gebraucht. Heute will er ein Vorbild für andere sein. „Nur wer sich zeigt, kann andere Bilder schaffen.“ Es gehe darum, andere Bilder zu zeigen als Elend, Armut und Kriminalität, die immer nur antiziganistische Vorurteile schürten.           Ganev will die Menschen dort abholen, wo sie stehen und ein Gesprächs- und Informationsangebot schaffen. Unter anderem erklärt er, warum „das Z-Wort“, an dem sich viele Debatten entladen, nicht benutzt werden sollte.

Ganev: „Zigeuner ist nicht nur ein Wort. Es ist ein Messer. Es sticht ins gesellschaftliche Bewusstsein und erinnert daran, dass man anders ist, anders sein muss. Es ist ein Stempel. Es deklariert als Angehöriger einer unerwünschten Gruppe. Es ist eine Beleidigung, weil der gesellschaftliche Sprachgebrauch es zu einer gemacht hat. Es ist Fremdbestimmung, weil sich die Gruppe diesen Namen nicht selbst gegeben hat“.„Romanity“ ist schon begrifflich die simple Aussage, die das Projekt treffen will: Eine Mischung aus „Rom“ und „Humanity“, Mensch, Menschheit, Menschlichkeit. Auf Romanes, der Sprache der Roma, heißt Rom schlicht „Mensch“, die weibliche Form ist Romnija. Ganev will zeigen, dass Sinti und Roma Menschen wie alle anderen sind. Und eben auch keine homogene Gruppe. Wie sehr diese Annahmen in Deutschland immer noch nicht selbstverständlich sind und wie wenig die Mehrheitsgesellschaft über die Minderheit wissen will, zeigt auch Ganevs eigene Geschichte. Und die seiner Mutter, mit der es anfangs ein „Übereinkommen“ zwischen ihr und dem kleinen Jungen gegeben hat. Ein Übereinkommen des Verschweigens aufgrund ihrer eigenen Ausgrenzungserfahrungen: „Sag auf keinen Fall irgendjemandem, dass du Rom bist.“ Und diese Strategie ging auf: „Wahrscheinlich hätte ich es sonst nicht so weit geschafft“, sagt Ganev heute. „Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen, dass ich mutiger sein muss“. Heute lebt er mit seiner Frau und Tochter in München und ist gefragter Gesprächspartner mit seiner Mission, Sinti* und Roma* in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Antiziganismus „Stimmen der Stärke“ zu ermöglichen. „Roma* und Sinti* sollen nicht mehr nur Ziel von Vorurteilen und Ausgrenzung sein, sondern als gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft anerkannt werden“.

Wenn Sie sich vorab informieren möchten: Suchen Sie im Internet z.B. nach Planet Wissen bei  ARD-alpha und speziell der einstündigen Sendung vom 17.10.2022. Hier spricht auch Radoslav Ganev.

Auch in München wurden die Sinti und Roma verfolgt, wie die beiden Bücher dokumentieren.

Quartett HANA und Junhyung KIM

Klavierwerkstatt Kontrapunkt, Dorfstr. 39 (hinter dem Alten Wirt)

Das Quartett HANA und Junhyung Kim (Klavier) spielen Werke von Joseph Haydn, Erwin Schulhoff und Dimitri Schostakowitsch

© Junhyung Kim
© Junhyung Kim

Das Quartett HANA und Junhyung Kim (Klavier) spielen Werke von Joseph Haydn, Erwin Schulhoff und Dimitri Schostakowitsch

Der Gedanke, Kompositionen ausgehend von den Lebensumständen ihrer Schöpfer und den politischen Strömungen ihrer Zeit zu interpretieren, ist ebenso naheliegend wie problematisch. Denn die Gestalt großer Musik ist eben nicht allein abhängig von den Verhältnissen, sondern tritt ihnen autonom gegenüber. Allerdings wäre es töricht, die biographischen und soziopolitischen Einflüsse bei der Deutung von Kompositionen ganz außer Betracht zu lassen. Kammermusik in Pasing eröffnet die Spielzeit 2024/2025 mit einem Programm, das es den Besucherinnen und Besuchern ermöglicht, dem Spannungsverhältnis zwischen Biographie, Politik und autonomem Gestaltungswillen am Beispiel dreier paradigmatischer Kompositionen nachzuspüren.

Das Streichquartett C-Dur op. 74 Nr. 1, Hob. III:72 von Joseph Haydn, die Fünf Stücke für Streichquartett von Erwin Schulhoff und das Klavierquintett g-Moll op. 57 von Dimitri Schostakowitsch zeigen, auf welch unterschiedliche Weise die Komponisten mit diesem Spannungsverhältnis umgegangen sind. Das junge und mehrfach ausgezeichnete Quartett HANA hat sich für diesen Kammermusikabend mit dem ebenfalls preisgekrönten und international erfolgreichen Pianisten Junhyung Kim zusammengetan.

Eintritt:  25, für Mitglieder € 20, für Schüler/Studierende bis 30 J. € 5.

Verbindliche Anmeldung unter info@kammermusik-pasing.de

Joseph Haydn (1732 – 1809), Streichquartett op. 74 Nr. 1: die Verteidigung der Leichtigkeit des Seins

Haydn schrieb seine sechs späten Streichquartette op. 71 und 74 nach Rückkehr von seiner triumphalen eineinhalbjährigen Englandreise im Jahr 1793 in Wien. Die Französische Revolution hatte mit ihrem Terrorregime ihren Höhepunkt erreicht, König Louis XVI und seine Frau Marie Antoinette starben unter der Guillotine, Europa versank für mehr als 20 Jahre in Kriegen, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Scheinbar unberührt davon schuf Haydn ein heiteres, unbeschwertes Werk mit eingängigen und tänzerischen Themen, schlichter, volkstümlicher Melodik und einem spektakulären wilden „Volksmusik“-Finale. Bei genauerem Hinhören fallen jedoch die musikalischen Widerhaken und Störfeuer auf, die der Komponist zielgerichtet gesetzt hat, um allzu selbstgewisse Hörgewohnheiten zu untergraben. Diese kontrollierte Verunsicherung wird schon in den einleitenden Akkordschlägen deutlich, die eher den Schluss als den Beginn einer Komposition markieren. Es folgen in allen Sätzen überraschende und kühne Modulationen, dynamische Variationen, rhythmischen Verschiebungen und ein virtuoses Finale. Kein kompositorischen „Business as usual“, sondern ein verhalten optimistischer Aufbruch in eine neue, unbekannte Zeit. Und Kammermusik, nicht geschrieben für intime Aufführungen in Adelspalais, sondern in öffentlichen Abonnement-Konzerten für ein selbstbewusstes bürgerliches Publikum, wie es Haydn in England kennengelernt hatte.

Erwin Schulhoff (1894 – 1942), Fünf Stücke für Streichquartett: der Tanz auf dem Vulkan

Schulhoff, in Prag als Kind einer deutsch-jüdischen Familie geboren, war einer der vielseitigsten, kreativsten und originellsten Komponisten der Zeit zwischen den Weltkriegen. Ein Rebell und Provokateur, der heute so gründlich vergessen ist, dass nicht einmal eingefleischte Klassik-Fans seinen Namen kennen – Folge der Verfemung und Verfolgung durch Nazi-Deutschland. Mitte der 1920er Jahre gehörte er zu den bekanntesten Komponisten der avantgardistischen Musikszene. Auf internationalen Festivals für Neue Musik feierte er Triumphe, Paul Hindemith brachte einige seiner Kammermusikwerke zur Uraufführung. Bereits als Siebenjähriger wurde er von Antonín Dvořák gefördert. Mit zehn kam er an das Prager Konservatorium, vier Jahre später nahm ihn Max Reger in seine legendäre Leipziger Kompositionsklasse auf und 1913 erhielt er Unterricht bei Claude Debussy in Paris. In den frühen Zwanziger Jahren tauchte er als freischaffender Musiker in Berlin und Dresden tief in die künstlerische Avantgarde ein, lernte den Maler George Grosz und seinen dadaistischen Kreis kennen, veranstaltete „Fortschrittskonzerte“ und tanzte sich in den Nächten durch die Jazz-Clubs. Nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt Prag setzte er sich für die Zwölftonmusik und die Vierteltonmusik ein, nahm aber auch tschechische Musiktraditionen auf und verband sie zu seinem ganz eigenen Klangkosmos. Schulhoff schrieb Kammermusik, eine Oper, ein Ballett, Symphonien, ein Jazzoratorium, Lieder und Solokonzerte. Als glühender Sozialist vertonte er 1930 das Kommunistische Manifest als Kantate im Stil des sozialistischen Realismus. Seine große Liebe aber galt dem Tanz und dem Jazz. In einem Brief an den Komponistenkollegen Alban Berg schrieb er: „Ich habe eine außerordentliche Leidenschaft für modische Tänze, und es gibt Zeiten, da gehe ich Nacht für Nacht tanzen allein aus Begeisterung für den Rhythmus und aus unbewusster Sinnlichkeit…“.

Schulhoff, der die sowetische Staatsbürgerschaft beantragt und 1941 erhalten hatte, starb im August 1942 auf der Festung Wülzburg bei Weißenburg in Mittelfranken, wo er als ausländischer Staatsangehöriger interniert war, an Mangelversorgung und Tuberkulose. Am 13. Juni 1941 hatte er gültige Einreisepapiere in die Sowjetunion in der Hand. Der Überfall Hitler-Deutschlands auf den Sowjetstaat neun Tage später verhinderte die rettende Ausreise.

Mit den Darius Milhaud gewidmeten, 1924 entstandenen Fünf Stücken für Streichquartett gelang Schulhoff der Durchbruch in der Neue-Musik-Szene. Es sind Tanzsätze in dem für ihn typischen farbigen, rhythmisch-motorischen Stil – höchst vergnügliche und immer wieder überraschende Burlesken. Im ersten Satz wird die Wienerische Walzerseligkeit karikiert. Ihm folgt eine delikat beginnende Serenade, die jedoch alsbald grotesk dekonstruiert wird. Der dritten Satz ist eine Humoreske über traditionelle tschechische Tanzmusik. Überraschend einfühlsam, ja zärtlich kommt der anschließende Tango daher, und mit dem abschließenden „Alla Tarantella“ enden die Fünf Stücke in einem einzigen, mitreißend-stampfenden Wirbel.

Dimitri Schostakowitsch (1906 – 1975), Klavierquintett op. 57: Ringen um Klarheit und Wahrheit

Das 1940 entstandene Klavierquintett op. 57 hat seinen Schöpfer vor den Fängen der stalinistischen Terrormaschinerie bewahrt. Vier Jahre zuvor war in der „Prawda“ ein vernichtender Artikel über seine Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ erschienen, den Stalin nach Besuch der Oper am Vortag lanciert hatte. Der Vorwurf des „Formalismus“, also der westlich-dekadenten Abkehr von den Grundsätzen des sozialistischen Realismus, war buchstäblich lebensgefährlich. Werke des Komponisten kamen auf den Index, Schostakowitsch wurde in die Geheimdienstzentrale Lubjanka vorgeladen und vom Geheimdienst NKWD verhört. Mit der Komposition seiner „linientreuen“ 5. Symphonie konnte sich der Komponist 1937 dem schlimmsten Druck entziehen. Aber erst das Klavierquintett führte zu seiner vollständigen Rehabilitation. Die Uraufführung wurde ein riesiger Erfolg; Schostakowitsch erhielt den Stalinpreis 1. Klasse, verbunden mit einem Preisgeld von 100.000 Rubel, und wurde mit dem Rotbannerorden geehrt. Die Uraufführungskritik in der Prawda war ein Lobgesang auf die Rückkehr zur sowjetischen Ästhetik – ein geradezu groteskes Missverständnis, das dem Komponisten nach dem Krieg den Vorwurf des Opportunismus einbrachte.

Zu Unrecht, denn gerade beim Klavierquintett op. 57 tritt der Komponist der politischen Instrumentalisierung seiner Musik durch den Rekurs auf Johann Sebastian Bach entschieden entgegen. Sorgfalt des Notensatzes, Klarheit und Struktur des Aufbaus, Schlichtheit des thematischen Materials und Innigkeit des Ausdrucks sind die Wesensmerkmale des Werks, das eine ganz eigentümliche Würde ausstrahlt.

Die Komposition beginnt mit einer machtvoll präludierenden Klavier-Einleitung, die von einem intensiven Streichersatz aufgenommen und im Dialog mit dem vorwärtstreibenden Klavier dramatisch gesteigert wird. Das nachfolgende Adagio entwickelt sich aus einer zarten Fuge in den Streichern, die vom Klavier in einen Verzweiflungsausbruch verwandelt wird und schließlich in einem entsagungsvoll-resignativen Trauergestus versinkt – wohl das innere Zentrum des ganzen Werks. Im völligen Kontrast dazu steht das kraftmeierische Scherzo mit seiner karikaturhaft übertriebenen hämmernden Rhythmik. Im Intermezzo werden die Emotionen wieder geglättet und gewissermaßen reflektiert, ehe das Werk mit dem optimistischen Finalsatz schließt.

Das Quartett HANA mit Gyurim Kwak und Fuga Miwatashi (Violinen), Simon Rosier (Viola) und Tzu-Shao Chao (Violoncello) gründete sich 2019 an der Münchner Musikhochschule und studiert aktuell in der Quatuor Ébène Academy sowie bei Prof. Hariolf Schlichtig und Prof. Eberhard Feltz. Das Quartett konnte bereits mehrere Preise bei internationalen Wettbewerben erringen. Im Jahr 2020 gewann das Quartett den 3. Preis beim Felix Mendelssohn Bartholdy Wettbewerb. Beim ARD Musikwettbewerb 2022 erhielt es den ”Förderpreis Jeunesses Musicales Deutschland“ und beim renommierten Internationalen Carl Nielsen Kammermusikwettbewerb in Kopenhagen 2023 den 3. Preis.

Junhyung Kim wurde 1997 in Seoul geboren und erhielt im Alter von zehn Jahren seinen ersten Klavierunterricht. Derzeit studiert er Klavier bei Antti Siirala an der Hochschule für Musik und Theater München. 2017 gewann er beim ARD Musikwettbewerb den Sonderpreis der Mozart-Gesellschaft. 2022 erspielte er sich beim ARD Musikwettbewerb den 2. Preis. Im folgenden Jahr gewann er den 3. Preis beim Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb. Er ist Preisträger weiterer internationaler Wettbewerbe und gibt Recitals in Europa, den USA und Südkorea. In Deutschland ist er mit Orchestern wie dem Konzerthausorchester Berlin und dem Münchener Kammerorchester aufgetreten.